Justin Hibbeler · Foto: Martin Sigmund
Justin Hibbeler, Julia Staufer, Dennis Junge · Foto: Martin Sigmund
Hannah Jaitner, Insa Jebens, Dennis Junge, Rolf Kindermann, Davíd Gavíria, Justin Hibbeler, Julia Staufer · Foto: Martin Sigmund
Davíd Gavíria · Foto: Martin Sigmund
Hannah Jaitner, Justin Hibbeler, Davíd Gavíria · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Justin Hibbeler · Foto: Martin Sigmund
Dennis Junge, Davíd Gavíria, Justin Hibbeler · Foto: Martin Sigmund
Julia Staufer, Insa Jebens, Davíd Gavíria · Foto: Martin Sigmund

Woyzeck

Dramenfragment von Georg Büchner · 16+


Rundschau Regional, 20. Januar 2024

Schleichender Wahnsinn

(von Axel Theurer)

Geduldig warten etwa 90 Schülerinnen und Schüler am Donnerstagabend im Gaildorfer Kernersaal. Die Dramaturgin Christine Richter-Nilsson beginnt pünktlich um 19 Uhr mit ihrem Vortrag. Bevor eine halbe Stunde später das Landestheater Württemberg-Hohenzollern mit dem Stück „Woyzeck“ von Georg Büchner beginnt, erläutert sie Einzelheiten zum Inhalt. Außer den Schülern und Lehrkräften besuchen kaum Gäste die Aufführung.

„Woyzeck zu inszenieren heißt immer, die Reihenfolge des Materials anzuordnen“, erklärt die Spezialistin. Informationen über die von Büchner vorgesehene Reihenfolge der Szenen liegen nicht vor, er starb vor der Vollendung des Stücks. Die historische Grundlage für die Figur Büchners ist Johann Christian Woyzeck, 1780 in Leipzig geboren. Er erstach aus Eifersucht eine Frau. Das Besondere an Büchners Stück ist, dass er die Machtverhältnisse in der Gesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals in den Blick rückt.

Die Frage nach der Schuldfähigkeit Woyzecks steht im Zentrum der Geschichte. „Der historische Woyzeck war ein Stalker“, sagt die Dramaturgin. Im Stück ist er vor allem Opfer seiner Lebensumstände und der Geringschätzung durch die gesellschaftlich höher gestellten Figuren. Woyzeck, gespielt von Justin Hibbeler, ist einfacher Soldat. Mit erniedrigenden Nebenjobs versucht er, für seine schwangere Freundin Marie alias Rosalba Salomon den Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu Beginn des Stücks, nach einem Prolog ohne Worte, befindet sich der Protagonist inmitten eines Haufens Schuhe am Boden und putzt diese. Hinter ihm steht eine Tribüne aus Sperrholz und Wellblech, auf deren Rängen die übrigen Figuren der Geschichte sitzen und ihre Schuhe zu Woyzeck auf den Boden werfen: seine Freundin Marie, sein Kamerad Andres alias Lucas Riedle, Herr und Frau Doktor, dargestellt von Jennifer Kornprobst und Rolf Kindermann, sowie sein Widersacher, der Tambourmajor alias Dennis Junge.

Auch zum Rasieren verdingt sich Woyzeck. In Büchners Original stutzt er den Bart des Herrn Hauptmann – in dieser Inszenierung des Tübinger Ensembles ist es die Frau Hauptmann, die sich von ihm die Beine rasieren lässt. Der Regisseurin Christiane Pohle gelingt auf diese Weise ein geschickter Transfer in die moderne Zeit. Auch indem die Frau Doktor Woyzecks Verhalten bei den Demütigungen mit der Handykamera dokumentiert.

Handlungen finden teilweise parallel statt. Während im Vordergrund Woyzeck Beine rasiert, macht sich der Tambourmajor an Marie heran. Woyzeck bekommt Geld dafür, dass er der Frau Doktor als Versuchskaninchen dient. Monatelang muss er sich ausschließlich von Erbsbrei ernähren. Der „Erbsbrei“ wird durch eine Petrischale auf einem Overheadprojektor auf den schmuddelig wirkenden Vorhang im Hintergrund geworfen – psychedelisches Gewaber stilisiert Woyzecks zunehmenden Wahn.

Eine Interaktion mit dem Publikum folgt, als der Doktor nach einer Uhr fragt. Eine Zuschauerin reicht ihm eine auf die Bühne. Einige Darsteller machen im Hintergrund Musik mit Glockenspiel und Schlagzeug, bis hin zu ohrenbetäubendem Getöse gegen Ende des Stücks. Das sorgt für Atmosphäre.

Der Mord Woyzecks an seiner Freundin am Schluss ist im Gegensatz dazu still und langsam. Er wird allein verbal vorgetragen, das Messer bleibt verborgen. „Die Inszenierung war einzigartig“, urteilt eine Schülerin der elften Klasse fasziniert.

 


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Schwäbisches Tagblatt, 22. Februar 2022

Gewalt-Fantasie im Theaterlabor

(von Achim Stricker)

Ein Bruch-Stück: Christiane Pohle inszeniert Georg Büchners „Woyzeck“ am LTT als Fragment-Collage.

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Schwarzwälder Bote, 21. Februar 2022

Äußerlich und innerlich Getriebene

(von Christoph Holbein)

Inszenierung von „Woyzeck“ spielt mit körperlichen Bildern

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Reutlinger General-Anzeiger, 19. Februar 2022

Wenn das Schlagzeug im Kopf trommelt

(von Kathrin Kipp)

Der Mensch als Jahrmarkt-Kuriosität: Christiane Pohles Inszenierung von Büchners »Woyzeck« am LTT

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